Risikogruppen - ein Einstieg in die vergleichenden Prognosen
Die Einteilung in Risikogruppen bieten dem Patienten eine erste Orientierung, wie sich seine Krebserkrankung unter den jeweiligen Umständen wahrscheinlich weiter entwickeln wird („Progressionsrisiko“).

Bei der in Deutschland verwendeten S3-Leitlinie werden anhand von PSA, Gleason- Score und klinischen Tumorstadium (Tastbefund) drei Prognosegruppen unterschieden:

  • niedriges Progressionsrisiko (PSA < 10 ng/ml, Gleason < 3+4=7a, T1 o. T2a) 
  • mittleres Progressionsrisiko (PSA 10-20 ng/ml, Gleason >= 3+4=7a oder 4+3=7b, cT2b)
  • hohes Progressionsrisiko (PSA > 20 ng/ml, Gleason 8,9,10, cT2c (beidseits tastbarer Tumor)
Durch die Einteilung der Patienten in diese drei Gruppen ist auch ein Vergleich unterschiedlicher Therapieverfahren in unterschiedlichen Tumorstadien möglich.

Niedriges Progressionsrisiko
Patienten, deren Krebs in diesem Stadium diagnostiziert wird, haben die vergleichsweise beste Prognose.

Für diese Gruppe gelten gem. der Deutschen S3-Leitlinie folgende Kriterien:
  • PSA < 10 ng/ml
  • Gleason Score maximal 3+3=6
  • kein tastbarer (cT1c) oder nur in einem Teil einer Prostatahälfte tastbarer Tumor (cT2a)
In den Partintabellen oder den Kattan-Nomogrammen ergibt sich in etwa folgende Konstellation:
  • Organbegrenztes Wachstum: 80-98 %
  • Risiko einer Kapselinfiltration 0 - 15 %
  • Risiko eines Samenblasenbefalls: 0 - 5 %
  • Risiko eines Lymphknotenbefalls: 0- 5 %
Patienten in diesem Stadium haben ausgezeichnete langfristige Heilungsaussichten:
  • nach Radikaloperation > 80 %
  • nach EBRT > 80 %
  • nach LDR-Brachytherapie > 90 %

Das Risiko einer späteren Fernmetastasierung beträgt dabei höchsten ca. 5 %.

Alle Therapieverfahren sind in diesem Stadium prinzipiell einsetzbar und besser wirksam als in fortgeschritteneren Stadien. Oftmals kann die Therapie sich vorrangig an der Lebensqualität orientieren.

Auch die aktive Überwachung kann in diesem Stadium eine Zeit lang erfolgreich sein. Allerdings besteht dabei die Gefahr, dass der Krebs weiter wächst (was er irgendwann immer tut) und durch dieses Abwarten aus einer ausgezeichnet zu behandelnden Situation eine schlechtere Ausgangsbasis (s. auch mittleres oder hohes Progressionsrisiko) entsteht.

Mittleres Progressionsrisiko
Patienten, deren Krebs in diesem Stadium diagnostiziert wird, sollten möglichst bald eine Therapie beginnen, denn die Wahrscheinlichkeit, dass es zur Bildung von Metastasen kommt, steigt allmählich an.

Auf der günstigen Seite genügt eine positive Biopsie mit Gleason 3+4=7a, um in diese Gruppe zu gehören. Das obere Ende der Gruppe bilden Patienten mit Gleason 4+3=7b in allen Proben, solange der PSA-Wert noch unter 20 ng/ml liegt. Letztere sollten im Zweifelsfall eher wie Patienten aus der Hochrisikogruppe behandelt werden. Die Definition für das mittlere Risiko ist dabei in der S3-Einteilung relativ ungenau – die US-Amerikanische Einteilung der NCCN hat daher die mittlere Risikogruppe in zwei Untergruppen unterteilt: „günstiges“ und „ungünstiges“ mittleres Risiko.

Für die Gruppe mit mittlerem Progressionsrisiko gelten gemäß der Deutschen S3- Leitlinie folgende Kriterien:
  • PSA 10 - 20 ng/ml und/oder
  • Gleason Score maximal 3+4=7 o. 4+3=7b und/oder
  • tastbarer Tumor iin mehr als 50% einer Prostatahälfte (cT2b)
In den Partintabellen oder den Kattan-Nomogrammen ergibt sich in etwa folgende Konstellation:
  • Organbegrenztes Wachstum: 30 - 80 %
  • Risiko einer Kapseliinfiltration: 15 - 40 %
  • Risiko eines Samenblasenbefalls: 2- 20 %
  • Risiko eines Lymphknotenbefalls: 1-15 %
Patienten in diesem Stadium haben folgende langfristige Heilungsaussichten:
  • nach Radikaloperation > 60%
  • nach EBRT > 60 %
  • nach LDR-Brachytherapie > 90 %
Das Risiko einer späteren Fernmetastasierung beträgt bis zu 10 %.

Am besten sind in diesem Stadium Therapieverfahren geeignet, die einen kleinen Sicherheitssaum um die Prostata herum mitbehandeln können.

Nach einer radikalen Prostataoperation kommt es in ca. 40% der Fälle zu Randrezidiven, die eine externe Nachbestrahlung nötig machen.

Nach externer Bestrahlung kommt es in ca. 35-40% der Fälle zu einem Rückfall des Krebses in der Prostata, da hier die aus Rücksicht auf die Umgebung applizierbare Strahlendosis nicht ausreicht. Daher wird bei externer Bestrahlung oft eine ein- bis zweijährige zusätzliche Hormontherapie empfohlen.

Eine LDR-Brachytherapie führt als alleinige Therapie zu einer Heilungschance von etwa 90 %. Liegt eine ungünstige mittlere Risiko-Konstellation (z.B. PSA 18, Gleason 4+3=7b, viele betroffene Biopsieproben) vor, sollte sie mit einer moderaten Aussenbestrahlung kombiniert werden (vgl. ASCENDE-RT-Studie).

Die Aktive Überwachung ist hier kein geeignetes Verfahren mehr. Der Krebs wächst deutlich schneller weiter als im Anfangsstadium. 

Hohes Progressionsrisiko
Patienten, deren Krebs in diesem Stadium diagnostiziert wird, müssen die Situation sehr ernst nehmen. Sie haben nicht nur einen agressiven Tumor in der Prostata, sondern auch ein relativ hohes Risiko für die Ausbildung von Metastasen in den Lymphknoten oder anderen Regionen im Körper.

Für diese Gruppe gelten gem. der Deutschen S3-Leitlinie folgende Kriterien:
  • PSA > 20 ng/ml und/oder
  • Gleason Score maximal > 4+4=8 und/oder
  • tastbarer Tumor in beiden Prostatahälften (cT2c)
In den Partintabellen oder den Kattan-Nomogrammen ergibt sich in etwa folgende Konstellation:
  • Organbegrenztes Wachstum: 20-50 %
  • Risiko einer Kapseliinfiltration: 20-90 %
  • Risiko eines Samenblasenbefalls: 8-40 %
  • Risiko eines Lymphknotenbefalls: 10 - 40 %
Patienten in diesem Stadium haben folgende langfristige Heilungsaussichten:
  • nach Radikaloperation 20 - 50 %, mit anschliessender externer Bestrahlung bis 60-70%
  • nach EBRT > 20-50 %, i.d.R. mit Hormontherapie > 2 Jahre
  • nach LDR-Brachytherapie und externer Bestrahlung, ggf. mit Hormontherapie  > 70 - 90 %

Das Risiko einer späteren Fernmetastasierung liegt trotz primär aufwendigerer Therapie und auch bei erfolgreicher lokaler Tumorbeseitigung immer noch bei 10-30 %. Diese Metastasen sind schon zum Zeitpunkt der Entdeckung des Krebses entstanden gewesen, die Häufigkeit ihres Auftretens hängt deshalb nicht von der Primärbehandlung ab.

Am besten sind in diesem Stadium Therapieverfahren geeignet, die sowohl einen Sicherheitssaum um die Prostata herum mitbehandeln können als auch die Samenblasen wie Lymphregionen miteinschließen (Lymphknotenresektion oder Lymphknotenbestrahlung).

Nach einer radikalen Prostataoperation kommt es in bis zu 80% der Fälle zu Randrezidiven, die sehr oft eine externe Nachbestrahlung nötig machen. Das Risiko einer Harninkontinenz ist hier sehr hoch, da eine nerverhaltende Operation in der Regel nicht möglich bzw. nicht erfolgreich möglich ist.

Nach alleiniger externer Bestrahlung kommt es sehr oft (ca. 50 %) zu einem Rückfall des Krebses in der Prostata, da hier die aus Rücksicht auf die Umgebung applizierbare Strahlendosis nicht ausreicht. Daher wird bei externer Bestrahlung und hohem Progressionsrisiko immer eine ca. zweijährige zusätzliche Hormontherapie empfohlen.

Eine LDR-Brachytherapie kann hier die Samenblasen und Lymphknoten nicht bzw. nicht ausreichend mitbehandeln, kann aber in Kombination mit einer externen Strahlentherapie durchgeführt werden. 
Diese Kombinationsbehandlung gilt als die wirkungsvollste Primärtherapie des fortgeschrittenen Prostatakrebses. Bei größervolumigen Tumoren empfiehlt sich auch hier eine zeitweilige Kombination mit einer Hormontherapie.
Die Ergebnisse dieser sog. multimodalen Therapie aus LDR-Brachytherapie, externer Bestrahlung und Hormontherapie stellen mittlerweile den internationalen Therapie-Goldstandard für solch fortgeschrittene Tumorsituationen dar. Auch die internationalen Therapieleitlinien in Europa und USA sehen dies so.
Trotz der sehr guten Heilungsaussicht ist eine Harninkontinenz wie auch in den Frühstadien sehr selten.

Eine Alternative für die einmalige LDR-Brachytherapie kann im Rahmen solcher Kombinationsbehandlungen auch eine mehrmalige HDR-Brachytherapie sein. 
Die aktive Überwachung ist hier kein geeignetes Verfahren. Auch eine fokale HIFU, PDT (Tookad) oder Kryotherapie sind bei Hochrisikokarzinomen nicht indiziert.





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