Die Radikaloperation beim Prostatakarzinom
Die Radikaloperation ist das klassische Behandlungsverfahren der operativen Urologie, die Prostata wird dabei herausoperiert.
Sie erfordert einen 5- bis 9-tägigen stationären Aufenthalt; ambulant kann eine Radikaloperation nicht erfolgen. 

Dabei ist der Begriff Radikaloperation bei strenger Auslegung unrichtig. Zumindest in Bezug auf die der Operation zugrundeliegende Krebserkrankung ist der Begriff missverständlich, weil „radikal“ fälschlicherweise gleichgesetzt wird mit „vollständiger Tumorentfernung“. Der gut gemeinte Satz „Lassen Sie sich doch operieren, dann ist der Krebs wenigstens weg“ ist trotz aller technischen Fortschritte bei der Radikaloperation leider oftmals falsch.

Grundsätzlich gilt: 
  • Eine Radikaloperation kann effektiv sein
  • Eine Radikaloperation kann schonend sein
Grundsätzlich gilt jedoch immer auch:
  • Eine Radikaloperation bei Prostatakrebs kann als systematisches Verfahren nie schonend und effektiv sein, allenfalls gelingt dies bei besonders früh erkannten Prostatakarzinomen im Einzelfall.
Operateure müssen sich überlegen, was ihnen strategisch wichtiger für Ihre Patienten ist: 
- Mehr Radikalität, zugunsten besserer Heilungsraten zum Preis höherer Nebenwirkungen
- Weniger Radikalität, zugunsten besserer funktioneller Parameter zum Preis einer höheren Rückfallrate

Operateure bzw. Urologische Kliniken,  die heutzutage als besonders gut gelten, haben sich in aller Regel für den Weg "Weniger Radikalität, geringere Nebenwirkungen" entschieden. Die Patienten können hierbei früher entlassen werden, haben weniger Blutverlust und weniger Folgeeingriffe in den ersten 12 Monaten. Auch ist die Rate von Patienten, die während einer solchen Operation versterben, geringer.
Diese Parameter werden auch in den Qualitätsuntersuchungen/Qualitätsberichten der Krankenkassen (z.B. AOK2013, BGEK2012) als besonders wichtig hervorgehoben. 

Nach einer Auswertung der Daten von über 200.000 Patienten zeigt sich jedoch, dass trotz neuer minimalinvasiver Operationsverfahren die Nebenwirkungsraten nicht geringer geworden sind  (Basiri et al. (2017)).
Die in dieser Arbeit untersuchte Rate positiver Absetzungsränder (Tumorrest) hat sich im Vergleich der Zeiträume 2002-2005 und 2014-2016 nicht verringert und ist zwischen den verglichenen Operationsverfahren ORP (Offene Radikale Prostatektomie), RLP (Laparoskopisch assistierte Radikale Prostatektomie) und RALP (Roboterassistierte Radikale Prostatektomie = DaVinci) nahezu identisch. Die Einführung des DaVinci-Robotersystems hat auch die Heilungsraten der Operation nicht verbessert. Große intraoperative Komplikationen sind mit RALP zwar geringfügig seltener als mit RLP oder ORP, dafür ist eine Inkontinenzproblematik bei der Roboter-Operation am häufigsten und betrifft immerhin 20% der Patienten. Die Impotenzrate bei allen operativen Verfahren liegt bei 60-70% und ist über die Jahre sogar leicht angestiegen.
Komplikationen bei Radikaler Prostatektomie
Die onkologischen Ergebnisse der Radikaloperation beim Prostatakarzinom (1)
Die radikalen Prostatektomie als Goldstandard zu betrachten, stützt sich im Wesentlichen auf eine über 20 Jahre alte randomisierte Studie aus Skandinavien (Bill-Axelsson et al.), in der eine Radikaloperation mit dem natürlichen Verlauf (keine Therapie) verglichen wurde. 18 Jahre nach Studienende waren 71 von 347 operierten Patienten, hingegen aber 110 von 348 nicht behandelten Patienten am Prostatakarzinom gestorben. Als Hauptrisikofaktoren nennen die Autoren einen hohen Gleason-Score und durch die Prostatakapsel durchgewachsene Krebszellen („extracapsular extension“ / ECE).
Wie die Autoren selber betonen, würde das Studiendesign den Ansprüchen an die heutige evidenzbasierte Medizin nicht mehr genügen. 
Das Ergebnis ist dennoch sehr interessant, da es den natürlichen Krankheitsverlauf ohne Behandlung gut aufzeigt. Die Häufigkeit von Metastasen ist in der unbehandelten Gruppe höher (bis 40%), obwohl sie in der Gruppe der operierten Patienten immerhin auch noch um 20% beträgt.

Die onkologischen Ergebnisse der Radikaloperation beim Prostatakarzinom (2)
Obwohl es zur Radikaloperation des Prostatakarzinoms unzählige wissenschaftliche Publikationen gibt, gibt es nur ganz wenige Publikationen, in denen das Langzeitergebnis in Bezug auf den präoperativen Patientenstatus detailliert dargestellt ist. Die meisten Auswertungen nach radikaler Prostatektomie beziehen sich nur auf den postoperativen Status.

Die unserer Meinung nach detaillierteste Arbeit stammt von Chun et al. (2007). An einem sehr großen Kollektiv von 2708 Patienten in unterschiedlichsten Risikokonstellationen wird gezeigt, wie die langfristige Heilungsrate  z.B. vom PSA-Wert (B), vom Gleason-Score der Biopsie (C), vom klinischen Tumorstadium (D) und der Risikogruppe (J) abhängt.
Die Ergebnisse sind seriös und können als Referenz dienen.
Im weiteren sind die Auswertungen für die Rzidivrate in Abhängigkeit des intraoperativen Gleason-Score (E), des postoperativen Tumorstadiums pT (F), eines postoperativ organbegrenzten Tumorwachstums (G), eines histologisch verifizierten Kapseldurchbruchs (H) und eines histologisch verifizierten Samenblasenbefalls (I) angegeben.
Hier die Abbildung:
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